Wittstocker Skulpturen

Kopien von drei Christus-Skulpturen und der eines Bischofs sind unserer Gemeinde vom Märkischen Museum als „Ersatz“ für die Originale übereignet worden. Im September 2016 begann ein Seminarkurs der Ev. Schule Neuruppin, die aufwendig und gut nachgebildeten Figuren in der Wittstocker St.-Marien-Kirche zu erforschen. Aufgabenstellung war, sie neu ins rechte Licht zu rücken, das meint: einen geeigneten Ort und eine angemessene Form, sie zu präsentieren, zu ersinnen und zu entwickeln.

Lassen Sie die kühle Ruhe der St.-Marien-Kirche Wittstock und die Skulpturen auf sich wirken. An jeder Skulptur erhalten Sie mit einem QR-Code eine Meditation über unsere Webseite. Sie können die meditativen Texte hier nachlesen oder die Audio-Guides downloaden.

Christus als Weltenrichter

Meditativer Text

    Ich begebe mich in die Kirche. Zunächst sehe ich einen Bischof. Ich gehe an ihm vorbei und schreite langsam in Richtung Altar. Die Bänke ziehen an mir vorbei und ich genieße die frische Luft und dieses besondere Gefühl. Als ich am Altar ankomme, bleibe ich einen Moment stehen und schaue mir alles ganz genau an. Ich drehe mich um und entdecke das große Schiff und die beeindruckende Orgel. Ich gehe langsam auf sie zu - zurück ins Schiff. Ich bemerke zu meiner Linken, wie Rechten je ein Triptychon. Zur Linken eins mit Spiegeln. Ich wende mich zunächst dem Rechten zu. Als ich genauer hinsehe, erkenne ich eine Skulptur von Christus. Sie scheint zu schweben. Dahinter befindet sich ein Gemälde. Die Statue ist eine Christusfigur. Sie sitzt auf einem Regenbogen und ihre Füße stehen auf zwei Köpfen. Sie stellt Christus als Weltenrichter beim jüngsten Gericht dar. In der rechten Ecke sieht man einen hellen Schein, der den Himmel symbolisiert. Dessen Gegenstück befindet sich in der linken Ecke und zeigt Verdammnis oder die Hölle. Das ist anders als üblich, um zu zeigen, dass die Bewertung von den Mächtigen der jeweiligen Zeit abhängt und eben leider nicht von Gott selbst. Christus sitzt auf der Erdkugel und richtet über die Toten und die Lebenden. Im Hintergrund sieht man unendliche Weite in einem hellen Blau.
    In Matthäus 25,40 sagt Christus: ,,Darauf wird der König ihnen antworten: Amen, ich sage euch: Was ihr für meinen geringsten Bruder getan habt, das habt ihr mir getan.“
    Das gilt auch heute, wenn man liebevoll mit seinen Mitmenschen umgeht, so erfährt man selbst Liebe, denn man ist Gott nah. Doch wer lieblos durch die Welt geht, wird Gott nie erfahren, denn Gott ist die Liebe.

    der thronende Christus/Spiegel-Triptychon

    Meditativer Text

    Ich begebe mich quer durch das Schiff auf das Spiegel-Tryptichon zu, bleibe stehen und höre die folgende Meditation.
    Ich bin mitten unter den Menschen. Sie respektieren und akzeptieren mich. Ich habe keine Angst vor ihnen, denn sie verurteilen mich nicht. Die Menschen beschützen mich, helfen mir. Es gibt auch Menschen, die mich nicht verstehen und manche respektieren die Menschen um mich herum nicht. Warum? Sie haben Angst und fühlen sich in eine Ecke gedrängt. Sie verstehen etwas nicht und davor fürchten sie sich. Sie kämpfen mit meinem Verstand und schauen mich mit tödlichen Blicken an. Die Menschen sind aber nicht böse und ich weiß das. Ich habe eine Macht, eine unvorstellbare Macht. Sie ängstigt andere, aber das will ich nicht. Ich fürchte meine eigene Macht und das ist traurig. Ich möchte sie teilen und Leben geben, anstatt Leben zu nehmen. Es gelingt und ich helfe den Menschen, aber sie erkennen mich nicht an. Das zerrüttet mich.
    Ich bin mitten unter den Menschen. Sie sehen mich mit Skepsis und Kritik an. Ich kann das nicht mehr. Ich brauche eine Pause. Ich will nicht mehr. Doch, ist das richtig? Soll ich die Menschen um mich herum, die mich anschauen, einfach hassen und verdrängen aus meinen Kopf? Sie brauchen Hilfe, aber fragen mich nicht darum. Ich kann ihnen nicht helfen, wenn sie meine Hilfe nicht annehmen. Sie ¬sind zu feige und engstirnig. Die Menschen sind egoistisch und unglaublich naiv. Ich hasse die Menschen. Ich hasse sie. Die Menschen müssen verschwinden – ein für alle Mal.
    Was sag ich da?     Ich bin nicht mehr unter ihnen. Ich bin allein, über ihnen.
    Ich erkenne mich selbst nicht. Was habe ich getan? Ich habe alles weggestoßen und verletzt. Sie werden mir nie verzeihen. Denn sie sind arrogant, faul und widerlich. Sind wir Menschen wirklich so wichtig? Die Menschen um mich herum schauen mich nicht mehr an, sondern verachten mich nur noch. Ich bin aber nicht so! Ich bin anders! Ich helfe den Menschen. Ich bin unter ihnen.
    Zusammen verändern wir uns und wachsen immer mehr zusammen. Wir sind kein Klumpen Elend. Selbst wenn sie unterschiedlich sind, wird keiner verurteilt.
    Ich bin mitten unter den Menschen. Ich halte ihre Hände und sie akzeptieren meine Hilfe. Die Menschen erkennen mich an. Jetzt verstehe ich sie besser. Denn sie sind nicht mit den Rücken zu mir gedreht. Sie stehen vor mir und ich sehe ihre Gesichter. Viele Tränen fließen über meine Wangen herunter. Ich bin nicht traurig. Meine Gefühle würde ich eher als Glück bezeichnen. Meine Füße können nicht mehr. Sie geben nach und ich setze mich auf einen Stein. Er ist kalt und kratzig. Doch die Menschen um mich herum helfen mir und geben mir Kraft. Sie nehmen meine Hand und helfen mir auf. Ich habe Macht, aber nur durch diese Menschen besitze ich sie auch. Die Menschen geben die Macht und die Kraft. Durch sie kann ich leben – voll, ganz und ewig leben.

    Jesus im Garten Gethsemane

    Meditativer Text

    Da kam Jesus mit ihnen zu einem Garten, der hieß Gethsemane, und sprach zu den Jüngern: Setzt euch hierher, solange ich dorthin gehe und bete.
    Und er nahm mit sich Petrus und die zwei Söhne des Zebedäus und fing an zu trauern und zu zagen.
    Da sprach Jesus zu ihnen: Meine Seele ist betrübt bis an den Tod; bleibt hier und wachet mit mir!
    Und er ging ein wenig weiter, fiel nieder auf sein Angesicht und betete und sprach: Mein Vater, ist's möglich, so gehe dieser Kelch an mir vorüber; doch nicht, wie ich will, sondern wie du willst!
    Und er kam zu seinen Jüngern und fand sie schlafend und sprach zu Petrus: Konntet ihr denn nicht eine Stunde mit mir wachen?
    Wachet und betet, dass ihr nicht in Anfechtung fallt! Der Geist ist willig; aber das Fleisch ist schwach.
    Zum zweiten Mal ging er wieder hin, betete und sprach: Mein Vater, ist's nicht möglich, dass dieser Kelch vorübergehe, ohne dass ich ihn trinke, so geschehe dein Wille!
    Und er kam und fand sie abermals schlafend, und ihre Augen waren voller Schlaf.
    Und er ließ sie und ging wieder hin und betete zum dritten Mal und redete abermals dieselben Worte.
    Dann kam er zu den Jüngern und sprach zu ihnen: Ach, wollt ihr weiter schlafen und ruhen? Siehe, die Stunde ist da, dass der Menschensohn in die Hände der Sünder überantwortet wird.
    Steht auf, lasst uns gehen! Siehe, er ist da, der mich verrät.

    St. Martin - Bischof

    Meditativer Text

    Halt! Bevor Sie gehen: Wahrscheinlich stand ich Ihnen schon zu Beginn im Weg. Aber es lohnt sich, noch einmal inne zu halten und mich genau unter die Lupe zu nehmen. Ich bin der Bischof von St. Marien – und schaue mehr nach innen als nach außen. Ja, ich wirke ein wenig angewurzelt. In der Tat bin ich das auch, denn ich bestehe aus einem Stück Eichenstamm. Und das stammt aus der Prignitz. Es wurde hier solange bearbeitet bis ich fertig war. Und jetzt stehe ich hier vor Ihnen: 1,91 hoch, 60 Zentimeter breit – aus einem Stück Eichenst... sagte ich das bereits? Naja - von innen bin ich hohl und auch schon über 700 Jahre alt. Aber ich habe spannende Details: Betrachten Sie doch einmal meinen Hut – diese kleine, kurze Mietra. Sehen Sie die kleinen Locken, die unter ihr hervorstehen? Für die damalige Zeit sehr typisch und modisch. Betrachten Sie auch meinen Hirtenstab in meiner rechten Hand – den halte ich geradezu lässig. Und fassen Sie das Buch ins Auge, welches in meiner linken Hand ruht. Raten Sie doch einmal, was das für ein Buch ist. Das wissen Sie nicht? Nun, ich auch nicht. Aber haben Sie einmal meinen Handschuh gesehen? Den habe ich von einer Pilgerfahrt mitgebracht. Wohin die ging, das weiß ich nun wirklich nicht mehr. Ich bin schließlich hohl von hinten.
    Wussten Sie, dass diese Kirche nicht immer St. Marien hieß? Hab ich mich überhaupt vorgestellt? Mein Name ist Martin von Tours und ich bin der Hauptpatron dieses Bischofssitzes. Deshalb hieß die Kirche auch Martinskirche bis dieser kleine Eislebener Mönch daherkam und meinte, nur weil er genauso heißt, müsse er hier mal ordentlich auf den Busch klopfen. Um nun jedwede Verwechslung und fälschliche Huldigung zu verhindern, hat einer meiner sehr weisen Nachfolger – der letzte katholische Bischof – die Kirche in St. Marien umbenannt. Wobei ja hoffentlich jeder sieht, dass ich nicht Maria, die Mutter Gottes bin.
    Na dann, ich will Sie nicht weiter aufhalten. Sie scheinen gehen zu wollen. Für weitere Fragen wenden Sie sich bitte an den zuständigen Amtsinhaber. Ich wünsche Ihnen noch einen angenehmen Tag und einen schönen Aufenthalt in der Stadt Wittstock. Auf Wiedersehen!

    Produktion

    Die Künstler

    • Christus als Weltenrichter
      Bildhauer: Thomas Hildenbrand, Inszenierung: Paul Hilker
    • der thronende Christus/Spiegeltriptychon
      Bildhauer: Thomas Hildenbrand, Inszenierung: Till Ragnow
    • Jesus im Garten Gethsemane
      Bildhauer: Thomas Hildenbrand, Inszenierung: Kenneth Kastner
    • St. Martin - Bischof
      Bildhauer: Arnold Holzknecht, Inszenierung: Julius Brenning
    • Projekt-/Kursleiter
      Christian Motschmann
    • Tischlerwerkstatt (Fertigung der Triptychen)
      Joachim Brenning

    Produktion Audio-Guide

    • Sprecher
      Christoph Birke
    • Tontechnik
      Christian Motschmann

    Kooperation

    • Die Ausstellung "Wittstocker Skulpturen" ist eine Kooperation zwischen der Ev. Gesamtkirchengemeinde Wittstock und der Ev. Schule Neuruppin.